M. Printy: Enlightenment and the Creation of German Catholicism

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Titel
Enlightenment and the Creation of German Catholicism.


Autor(en)
Printy, Michael
Erschienen
Cambridge 2009: Cambridge University Press
Anzahl Seiten
246 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
David Luginbühl, Seminar für Allgemeine und Schweizerische Zeitgeschichte, Universität Freiburg i. Ü.

Wie manifestierte sich die Aufklärung innerhalb des Katholizismus in Deutschland? Inwiefern machte die katholische Aufklärung einen spezifisch deutschen Katholizismus erst denkbar? Und: Welche Spuren hinterliess die Aufklärung auch noch im sich ultramontanisierenden Katholizismus des 19. Jahrhunderts? Dies sind Leitfragen, welche Michael Printy mit seiner hauptsächlich intellektuellen- und ideengeschichtlich ausgerichteten Studie zu beantworten sucht. Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchung liegt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert, wobei den letzten Jahrzehnten mit den josephinischen Reformen die grösste Bedeutung beigemessen wird.

Auf der Basis einer Auswahl von Schriften katholischer Gelehrter und einer breiten Palette aufklärerischer Pamphlete entwickelt Printy ein Bild der Reformbemühungen innerhalb des Katholizismus vor dessen Ultramontanisierung. Es gelingt ihm darüber hinaus, vor dem Hintergrund dieser Reformdiskussionen auch neue Perspektiven auf den Katholizismus des 19. Jahrhunderts zu eröffnen, die den Kontinuitäten zwischen den Katholizismen des 18. und 19. Jahrhunderts stärkere Bedeutung beimessen. Die katholische Aufklärung, so eine der Hauptthesen Printys, war weit mehr war als die teilweise Übernahme protestantischer Aufklärungspostulate, und die innerkatholische Diskussion zum Verhältnis von Kirche, Staat und Gesellschaft war wesentlich dafür verantwortlich, dass ein katholisches nationales Selbstverständnis entstand, welches später dem kulturprotestantischen entgegengesetzt werden konnte.

Das Buch ist in zwei Hauptteile gegliedert, die verschiedenen Aspekten der katholischen Aufklärung gewidmet sind: zum einen der Sicherung rechtlicher und institutioneller Autonomie von Rom in Verbindung mit dem Territorialstaat, zum anderen der Sicherung der intellektuellen und moralischen Autorität über die breite katholische Bevölkerung. Im ersten Teil stellt Printy kirchen- und staatstheoretische Schriften ins Zentrum, so etwa das Werk des Trierer Weihbischofs Nikolaus von Hontheim, das allgemein als Startschuss für die Aufklärung im katholischen Deutschland gilt. Das Pseudonym Hontheims, «Febronius », wurde namensgebend für den «Febronianismus», welcher sich für grössere Freiheit der deutschen Kirche von Rom stark machte. Printy betont, dass sich Hontheim weitgehend auf katholische Vorarbeiten beziehen konnte, und macht den Erfolg des Werks in erster Linie am Erscheinungszeitpunkt fest. 1763 endete der Siebenjährige Krieg, der Protestantismus und die Grossmachtstellung Preussens schienen ein für alle Mal gesichert. Die Ängste vor einer Rekatholisierung verschwanden, während die Diskussion über den Charakter der deutschen Nation und die deutsche Einheit in den Vordergrund traten. Die katholische Auklärung fand sich unter diesen Bedingungen mit dem Ergebnis des Westphälischen Friedens ab und richtete den Blick in die vorreformatorische Zeit und damit auf die «Concordata nationis germanicae», eine Entwicklung, die sie in den Widerspruch mit Rom brachte. Die Werke jener historisch arbeitenden Kirchenhistoriker, die in der Vergangenheit alten Freiheiten nachspürten und diese nun programmatisch für die Zukunft zurückforderten, gewannen ebenso an Gewicht wie jene, die gallikanische Theorien rezipierten und diese auf die deutsche Kirche zu übertragen versuchten.

Der Siebenjährige Krieg hatte den Zeitgenossen auch vor Augen geführt, dass der moderne Krieg ökonomisch starke Staaten mit ausreichenden finanziellen Mitteln erforderte. Während utilitaristische und naturrechtliche Staatsdefinitionen gegenüber religiösen an Gewicht gewannen, gerieten Privilegien der katholischen Kirche in die Kritik. Printy geht auf zahlreiche katholische Schriften ein, welche sich kritisch zur ökonomischen Bremswirkung von Klöstern, Kapellen, Pilgerreisen usw. äusserten und neue, in Richtung Kollegialismus weisende Kirchendefinitionen propagierten, die zum Grundstein für die späteren josephinischen Reformen werden sollten.

Printy grenzt sich vehement gegen die ältere Forschung ab, welche die Promotoren dieser Reformen beschuldigte, die Kirche schamlos dem Staat ausgeliefert zu haben. Aus seiner Sicht akzeptierten die katholischen Aufklärer vielmehr das Dilemma, vor welchem der Katholizismus mit dem Bedeutungsgewinn des absolutistischen Staates stand. So sollten nicht nur die Freiheiten der deutschen Kirche gegenüber Rom gesichert, sondern auch verhindert werden, dass materielle und säkulare Kräfte entweder die geistliche Mission der kirchlichen Institutionen oder die politischen und ökonomischen Ziele des Staates behinderten.

Im zweiten Teil der Studie thematisiert Printy die Suche nach einem aufgeklärten, bürgerlichen Katholizismus, welcher sich von expressiven Frömmigkeitsformen und traditioneller barocker Frömmigkeit distanzierte und sich einem Programm verschrieb, in dessen Zentrum Bildungsreformen und eine Reform des säkularen Klerus standen. Als ein von allen katholischen Aufklärern geteiltes Charakteristikum macht Printy dabei den Antijesuitismus aus. Aufgrund seiner dominierenden Stellung im Bildungssystem und des Universalismus, für den er stand, erschien der Jesuitenorden geradezu als natürliches Feindbild. Wie aus dem von Printy referierten Sample von aufklärerischen Pamphleten hervorgeht, ging dieser Antijesuitismus im Falle Deutschlands keineswegs mit Antiklerikalismus einher. Nicht zuletzt wegen der zentralen Rolle der Kirche als wichtigster Arbeitgeberin neben dem Staat verliessen bürgerliche Aufklärer die Kirche nicht, sondern versuchten vielmehr, diese in ihrem Sinne umzugestalten. Philosophisch gebildete Priester behielten im Reformprojekt ihre Bedeutung, als Transmissionsriemen der katholischen Aufklärung ebenso wie in der Rolle als moralische Vorbilder. Die katholische Aufklärung konnte denn auch über längere Zeit auf Unterstützung aus den Klöstern zählen; erst die antiklösterliche Stimmung seit den 1780er Jahren führte zu einer zunehmenden Enttäuschung unter reformerischen Kräften innerhalb der Klostermauern.

Was blieb von der katholischen Aufklärung nach der Jahrhundertwende von 1800? Mehr als auf den ersten Blick zu erwarten wäre, so Printys differenzierte Antwort. Zwar scheiterte die erste Bischofsgeneration nach der Säkularisation von 1803 mit ihrem Projekt eines «nationalen» Konkordats mit Rom, welches dem deutschen Episkopat eine gewisse offizielle Einheit und Unabhängigkeit von Rom gebracht hätte. Und auch an den Seminarien gewannen die Gegner der katholischen Aufklärung bald die Oberhand. Dennoch hebt Printy Kontinuitäten hervor, so die irenische Strömung, die sich etwa in der praktischen pastoralen Theologie eines Johann Michael Sailers zeigte, insbesondere aber das in der katholischen Aufklärung entstandene tiefgehende Bewusstsein, dass es einen spezifisch deutschen Katholizismus gebe – eine Kontinuität, der gerade vor dem Hintergrund des einflussreicher werdenden Kulturprotestantismus wachsende Bedeutung zukam. Während also das katholische Bürgertum als Hauptträger der katholischen Aufklärung gegenüber der ultramontanen Bewegung eindeutig seine Bedeutung einbüsste, blieben gewisse Ideen der katholischen Aufklärung durchaus wirkungsmächtig und wurden zu Ressourcen, auf die auch der Katholizismus des 19. Jahrhunderts zurückgriff. Den Blick für diese Kontinuitäten geschärft zu haben, ist sicher eines der grössten Verdienste von Printys Studie. Ein anderes besteht darin, eine eindeutige Antwort auf die Frage zu geben, ob es eine «katholische Aufklärung» überhaupt gegeben habe.

Zitierweise:
David Luginbühl: Rezension zu: Michael Printy, Enlightenment and the Creation of German Catholicism, Cambridge, Cambridge University Press, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 103, 2009, S. 325-327.

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